Ein Stillleben aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande
Geheimnisvoll erleuchtet erscheinen vor dem Halbdunkel einer Wandnische eine kostbare Porzellankanne und ein gläserner Pokal, in dem der Wein funkelt. Davor eine halb geschälte Zitrone, ein aufgebrochener Granatapfel, samtige Pfirsiche. Meisterhaft schildert der niederländische Barockmaler Willem Kalf, wie verschiedenartig die Oberflächen das Licht reflektieren. In der Alten Pinakothek in München kann man dieses Stillleben bewundern.
Es gehörte einst dem Maler Josef Block.
In der Münchner Kunstszene
Block zieht als junger Mann 1881 nach München. Er stammt aus Schlesien, hat in Breslau ein Kunststudium begonnen und setzt nun sein Studium an der Münchner Kunstakademie fort.
Zu seinen Lehrern gehört der Historienmaler Bruno Piglhein. Der verschafft seinem Meisterschüler einen prestigeträchtigen Job: Block darf an Piglheins monumentalem Panorama „Jerusalem am Tag der Kreuzigung Christi“ mitwirken. Das Panorama, 1886 erstmals in München ausgestellt, wurde 1892 in Wien bei einem Brand zerstört.
In der Theresienstraße 75 richtet sich Josef Block ein Atelier ein. Die Gegend – Maxvorstadt und Schwabing – ist geprägt von Künstler:innen, Studierenden und Lehrenden. So wohnen im selben Haus wie Josef Block zwei weitere Maler, Fritz von Uhde und Ludwig Dill.
„Tod dem Atelierton, dem Kitsch, dem Unwahren“
In diesem Atelier gründet Block zusammen mit 95 anderen Berufskollegen am 4. April 1892 den „Verein bildender Künstler Münchens e.V.“, der später unter dem Namen „Secession“ populär wird. Diese Gruppe versteht sich als Opposition zu der etablierten Kunstszene in München, die von Lenbach dominiert wird. Mitbegründer sind Blocks Professor Bruno Piglhein und der „Malerfürst“ Franz von Stuck. Die Autorin Margarete Mauthner erinnert sich an die Gründungszeit: „Sezession? – Das Wort sagte mir nichts, es war mir ein fremder Begriff. Aber als ich die Namen seiner Vertreter hörte, verstand ich alles: Licht, Freiheit, Reinheit in der Kunst, auch da, wo ihre Wege nicht ganz in der neuen Richtung liefen, Tod dem Atelierton, dem Kitsch, dem Unwahren…“
Block beteiligt sich aktiv an Ausstellungen der Münchner Secession. Im In- und Ausland werden seine Gemälde gezeigt. Die Kritik lobt: „Die Block’schen Bilder erzählen viel und fein, in leisen Farben, im modernen Stil der abgerissenen Sätze und Gedankenstriche.“
Bald nach dem folgenreichen Treffen in seinem Atelier verlässt Block München und zieht nach Berlin. Auch hier ist er beteiligt, als 1898 unter der Führung von Max Liebermann die Berliner Secession gegründet wird.
Er heiratet Else Oppenheim, eine Tochter des Bankiers Hugo Otto Oppenheim und seiner Frau Anna, geb. Oppenheim aus Königsberg. Rasch wächst die Familie: Anna Luise, Hugo und Otto werden geboren. Lange können sie ihr Familienglück nicht genießen, denn Else leidet unter schweren Depressionen und muss sich um das Jahr 1903 in eine Anstalt begeben.
Josef Block etabliert sich wie in München auch in den Berliner Kunstkreisen, ist mit Max Slevogt, Emil Orlik und Max Liebermann befreundet und entwickelt sich zu einem gesuchten Porträtisten in der gehobenen Gesellschaft. Bedeutende Kunsthändler wie Fritz Gurlitt und Paul Cassirer verkaufen seine Werke, und er beteiligt sich häufig an der Biennale in Venedig und an Ausstellungen der Sezession.
„Inmitten seiner Werke steht der Künstler; die selbstsicheren Augen blicken ruhig. Ein Maler großen Rufes, dessen Name einen sehr guten Klang in der Kunstwelt hat. Man sieht hier ‚Die Versuchung des heiligen Antonius‘, darunter ‚Spanierin‘ rechts davon oben wieder eine Spanierin, unten ‚Dame im Grünen‘; ferner ‚die Grablegung Christi‘ und eine ‚Chansonette‘ schreibt die Damenillustrierte „Berliner Leben – Zeitschrift für Schönheit und Kunst“ 1904.
Eine langjährige Freundschaft verbindet Block mit dem Schriftsteller Gerhart Hauptmann, den er aus seiner Breslauer Zeit kennt. Er besucht ihn öfter auf Hiddensee und im Riesengebirge, und mehrere Porträts entstehen in dieser Zeit.
Block reist viel und gerne. Um die Jahrhundertwende unternimmt er eine große Mittelmeerreise, die ihn bis nach Ägypten führt. In den 1920ern fährt er häufig nach Italien, in die Schweiz und nach Frankreich. Stets dabei: Seine Kamera, denn das neue Medium der Fotografie hat es ihm angetan.
Von seinem Onkel, dem Berliner Juristen Berthold Richter, erbt Block um 1906 eine Kunstsammlung Alter Meister. Die Gemälde sind so bekannt und so wertvoll, dass führende Museumsleute in Berlin – wie Wilhelm von Bode – sie 1919 in eine Liste national wertvoller Kunstwerke aufnehmen möchte.
Seit Ende der 1920er Jahre wohnt Josef Block in einer großen Wohnung in der Derfflingerstraße in Berlin-Tiergarten.
„Die Wohnung von Herrn Block glich einem Museum“, erinnert sich seine Haushälterin Gertrud Lessow. „Die Möbel waren echte alte Stilmöbel, die echten Teppiche lagen im wahrsten Sinne des Wortes übereinander. Die hohen Zimmer, die ineinander übergingen ohne Zwischentüren waren angefüllt mit wertvollen Porzellanen, Plastiken, Bildern, Bronzen…“
Gezielter Kunstraub durch Görings Chefeinkäufer
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ist Josef Block als Jude den diskriminierenden Steuerforderungen ausgesetzt. Dann wird er Opfer eines gezielten Kunstraubs. Möglicherweise ist es die Liste national wertvoller Kulturgüter, die den Kunsthändler Walter Andreas Hofer auf die Block’sche Kunstsammlung aufmerksam werden lässt. Hofer ist der Chefeinkäufer von Hermann Göring, dessen Kunstsammlung er aufbaut. Er zwingt 1939 Josef Block dazu, ihm zwei Bilder aus der geerbten Sammlung zu verkaufen: Ein Stillleben von Willem Kalf und eines von van Beyeren.
Gertrud Lessow schreibt: „Ich kann mich noch gut erinnern, wie verzweifelt Herr Block damals war, als ihm unter Druck die beiden Bilder abgenommen wurden, die er dem Vermächtnis und auch als Sammler in seinem Besitz behalten wollte.“
An dem Gemälde von van Beyeren hat Göring Interesse, an dem von Kalf der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Ernst Buchner. Er bietet Hofer zwei Bilder zum Tausch an. Hofer willigt ein. So gelangt das Stillleben in die Alte Pinakothek in München.
Letze Lebenstage im Judenhaus
Im Jahre 1943 erhält Josef Block den Deportationsbefehl. Gertrud Lessow schildert die Situation: „Er war sehr krank, lag im Bett, so daß ich ihn durch mein energisches Eingreifen von der Deportation bewahren konnte. Er mußte aber aus seiner Wohnung heraus und in eine Judenwohnung ziehen.“
Sein letztes Zuhause wird das Jüdische Krankenhaus, das die Nationalsozialisten in ein ,Judenhaus‘ und Sammellager zum Transport der Jüdinnen und Juden aus Berlin umfunktioniert haben. Selbst unter diesen Umständen ist Josef Block noch voller Schaffenkraft. Er beginnt mit dem Porträt eines jüdischen Arztes. Doch dies bleibt unvollendet. Der Maler stirbt am 20. Dezember 1943. Die Urne mit seiner Asche wird auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.
Das Wohnhaus Josef Blocks in der Derfflingerstraße wird noch nach Kriegsende durch einen Brand zerstört. Dabei verbrennen nicht nur Teile von Blocks Kunstsammlung, sondern auch der Großteil seines eigenen Werks.
Restitution an Josef Blocks Enkel
Im Jahr 2008 wird das Gemälde von Kalf an den Enkel des Malers, Peter Block restituiert.
„Es bedeutet mir viel, dass das meinem Großvater angetane Unrecht anerkannt und damit auch der Verbrechen der NS-Zeit gedacht wird“, äußert sich der Erbe. „Es war mir zudem ein Bedürfnis, dass das wunderbare Stillleben Kalfs auch weiterhin der Öffentlichkeit in der Alten Pinakothek zugänglich bleiben wird.“ Daher erklärt er sich einverstanden, dem Pinakotheks-Verein das Werk zu verkaufen, der es den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt. Und so kann man auch heute noch dieses Glanzstück aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande in der Alten Pinakothek bewundern.