Foto. Innenaufnahme im Museum. Ein Löwe aus weißem Stein.
August Gaul: Liegender Löwe, 1903.

Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Zeichnung. Vogelschau des Leipziger Platzes.
Mosse-Palais zwischen Leipziger Platz und Voßstraße.

HDS Architecture, Boston

Im oberen Foyer der James-Simon-Galerie in Berlin wird man von einem steinernen Löwen begrüßt.

Ursprünglich befand sich dieser Löwe nicht auf der Museumsinsel, sondern in einem Palais am Leipziger Platz.

Foto, schwarz-weiß. Ein dreistöckiges, prächtiges Gebäude.
Fassade des Mosse-Palais am Leipziger Platz, fotografiert 1935.

bpk / Atelier Bieber/Nather

Foto, schwarz-weiß. Prachtvolles Eingangstor.
Haupteingang des Mosse-Palais an der Voßstraße, fotografiert 1935.

bpk / Atelier Bieber/Nather

Foto, schwarz-weiß. Parkähnlicher Innenhof.
Der Eingangsbereich an der Voßstraße mit dem Löwen, fotografiert 1935.

bpk / Atelier Bieber/Nather

Der Zeitungsverleger Rudolf Mosse und seine Frau Emilie lassen das prächtige Gebäude in den 1880er Jahren erbauen – um darin zu wohnen, aber auch, um ihre ständig wachsende Kunstsammlung unterzubringen.

Am Haupteingang in der Voßstraße werden Besucher:innen von dem steinernen Löwen empfangen. Die Mosses haben ihn 1902 bei dem Bildhauer August Gaul in Auftrag gegeben.

Gemälde im Stil des Impressionismus. Einfach gekleidetes Paar auf einem Weg in ländlicher Umgebung, der Mann stützt seine Frau.
Fritz von Uhde: Gang nach Bethlehem, 1890, aus der Sammlung Mosse. 2017 restituiert und für das Museum Wiesbaden zurückgekauft.

Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Gemälde in bunten Farben, das einen unbekleideten Mann zwischen zwei leichtbekleideten Frauen am Meeresufer zeigt.
Ludwig von Hofmann: Frühlingssturm, 1894/95, aus der Sammlung Mosse. 2015 restituiert, heute als Dauerleihgabe aus einer Privatsammlung am Institut Mathildenhöhe Darmstadt.

Institut Mathildenhöhe Darmstadt / Gregor Schuster

Die Sammlung Mosse

Rudolf und Emilie Mosse sammeln breit, von Antiken, Alten Meistern, Kunsthandwerk bis hin zu Ostasiatika. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt jedoch auf Gemälden des deutschen Realismus – insbesondere aus der Zeit, in der Mosse Karriere machte. Das Paar besitzt Gemälde von Böcklin, Leibl, Lenbach, Liebermann und Spitzweg.

Sie möchten, dass sich auch andere Menschen an ihrer Kunst erfreuen können. Das Privatmuseum, scherzhaft auch „Mosseum“ genannt, ist für die Öffentlichkeit zugänglich.

Außerdem haben sie eine umfangreiche Bibliothek, die Wissenschaftler:innen offen steht.

Elternhaus

Schwarzweißfotografie. Markus Mosse, auf einem Stuhl sitzend.
Markus Mosse.

Leo Baeck Institut New York/Berlin

Der immense Reichtum ist Mosse nicht in die Wiege gelegt worden. Er wird 1843 in eine kinderreiche jüdische Familie geboren – Rudolf ist das sechste von insgesamt 14 Kindern des Arztes Markus Mosse und seiner Frau Ulrike aus dem Provinzstädtchen Grätz bei Posen, dem heutigen Poznan.

Den Nachwuchs zieht es in die Boomstadt Berlin. Hier gibt es Karrierechancen und Absatzmärkte, aber auch Kultur und ein liberales religiöses Umfeld.

Steile Karriere

Titel einer Zeitschrift, das Menschen in geselligem Beieinander zeigt.
Titelblatt der „Gartenlaube“, 1866.

Wikimedia commons, gemeinfrei

Rudolf Mosse macht eine Lehre zum Buchhändler. In Berlin fängt er erst einmal klein an – als Buchhandlungsgehilfe und Vertreter. Er verkauft Anzeigen für die beliebte Illustrierte „Die Gartenlaube“, reist dafür quer durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Titelseite eines Kataloges.
Katalog der Rudolf Mosse Annoncen-Expedition, 1901.

Staatsbibliothek zu Berlin. Public Domain Mark 1.0

Diese Tätigkeit bringt ihn auf sein Geschäftsmodell: Er pachtet ganze Anzeigenseiten in Zeitungen weltweit. Diesen Anzeigenraum bietet er Werbekunden zum Verkauf an. Ein gewagter Schritt für einen 24jährigen. Doch er hat Erfolg: Schon 1872 hat sein Unternehmen 250 Zweigniederlassungen im In- und Ausland.

Foto, schwarz-weiß. Ein Büroraum, in dem circa 20 Menschen an Schreibtischen arbeiten.
Büro in der Berliner Mosse-Verlagsanstalt, um 1920.

bpk

Gleichzeitig baut er ein Verlagsimperium auf. Er gibt – gemeinsam mit seinem Schwager Emil Cohn – mehrere auflagenstarke Zeitungen heraus: Das „Berliner Tageblatt“, das sich bis 1933 zur größten liberalen Zeitung Deutschlands entwickelt, die „Berliner Morgen-Zeitung“, die „Berliner Volkszeitung“ und das „Abendblatt“.

Wohltätigkeit und Mäzenatentum

Historische Fotopostkarte, schwarz-weiß. Ein großes palastartiges Gebäude mit zwei Seitenflügeln.
Das Mosse-Stift in Berlin-Schmargendorf.

Archiv der Bürgerinitiative Mosse erinnern!

So erwirbt Rudolf Mosse ein Vermögen. Daran lässt er auch andere teilhaben. Seine Frau und er engagieren sich für Kunst und Wissenschaft und für wohltätige Zwecke. Beispielsweise gründen sie die Emilie- und Rudolf-Mosse-Stiftung, die ein Erziehungsheim für bedürftige Kinder betreibt.

Schwarzweißfotografie. Rudolf und Emilie Mosse, er in geflochtenem Lehnstuhl sitzend, sie hinter ihm stehend in hellem Kleid.
Rudolf und Emilie Mosse, um 1918.

Leo Baeck Institute. https://www.europeana.eu/item/09312/862652

Anlässlich seines 70. Geburtstags im Jahre 1913 spendet Rudolf Mosse 1,58 Millionen für wohltätige Zwecke. Insgesamt 21 verschiedene soziale Einrichtungen bekommen einen Teil des Geldes, etwa die Berliner Altersversorgung, das Virchow-Krankenhaus und Hilfsorganisationen für Obdachlose.

Mosse ist auch ein Freund der Berliner Museen und steht ihnen bei Ankäufen hilfreich zur Seite.

Er finanziert zum Beispiel eine Forschungs- und Ankaufreise von Heinrich Brugsch nach Unterägypten und schenkt dem Ägyptischen Museum in der Folge mehrere hundert, teils spektakuläre Stücke.

Wahlplakat, das einen Maurer und beschriftete Bausteine zeigt.
Wahlplakat der DDP zur Nationalversammlung, 1919.

bpk / Deutsches Historisches Museum / Sebastian Ahlers

Auch politisch engagiert sich der Verleger. Nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 beteiligt sich Rudolf Mosse an der Gründung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die eine Liberalisierung der Gesellschaft nach bürgerlichen Reformvorstellungen anstrebt.

Das Mosse-Imperium wird weitergeführt

Schwarzweißfotografie. Hans und Felicia Lachmann-Mosse, er in elegantem Anzug sitzend, sie an seiner Seite stehend in langem weißen Kleid.
Hans und Felicia Lachmann-Mosse, Berlin, 1909.

Leo Baeck Institut New York/Berlin

Schwarzweißfotografie. In der Mitte sitzend Felicia Lachmann-Mosse mit den Kindern Rudolf, Gerhard und Hilde.
Felicia Lachmann-Mosse und ihre Kinder, um 1920.

Leo Baeck Institut New York/Berlin

Rudolf Mosse stirbt 1920, seine Frau Emilie 1924. Beide finden ihre letzte Ruhestätte auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.

Das Mosse-Imperium erben nun die Tochter Felicia und ihr Ehemann Hans Lachmann-Mosse.

Die beiden haben drei Kinder, Rudolf, Gerhard und Hilde.

Erklärvideo zur Weltwirtschaftskrise.

Doch die Zeiten sind schwierig. Die Weltwirtschaftskrise 1929 und die Konkurrenz, die den Zeitungen durch Rundfunk und Film erwachsen, bringen das Verlagsimperium an den Rand des Konkurses.

Gleichzeitig sind die Nationalsozialisten politisch so stark geworden, dass eine Rettung des Verlags nicht möglich ist.

Hetze und Arisierung

Schon vor 1933 gehört der Mosse-Verlag zu Hitlers erklärten Feinden. Als die Nationalsozialisten an die Macht gekommen sind, halten sie mit ihrer Abscheu nicht mehr hinter dem Berg. Der „Völkische Beobachter“, ein Nazi-Blatt, beschimpft Lachmann-Mosse als „volksschädigenden Pressejuden“. Im Hetzblatt „Der Stürmer“ erscheint ein Artikel, der Rudolf Mosse verleumdet.

Enteignung und Emigration

Hans und Felicia Lachmann-Mosse werden massiv unter Druck gesetzt. Die Nazis erpressen ihre Unterschriften, um den Mosse-Verlag in die Rudolf-Mosse-Stiftung GmbH umzuwandeln – der erste Schritt der ‚Arisierung‘ des jüdischen Großkonzerns. Im Gegenzug darf das Ehepaar mit den drei Kindern im Frühjahr 1933 in die Schweiz ausreisen. Sie emigrieren von dort über Frankreich in die USA.

Hintergrund

Brief in Schreibmaschinenschrift.
Adolf Pochwadt, Bevollmächtigter der Rudolf-Mosse-Stiftung, an Kultusminister Rust, 13. Juni 1933.

Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, I/NG 935, Bl. 345

„Die gesamten in Deutschland befindlichen Vermögensobjekte des früheren Alleinbesitzers Lachmann-Mosse sind somit in den Besitz der Rudolf-Mosse-Stiftung G.m.b.H. übergegangen. […] die Rudolf-Mosse-Stiftung beabsichtigt, sich dieser und anderer Vermögensobjekte zu entledigen.“

Die geraubte Kunstsammlung

Zum geraubten Vermögen zählt auch die Kunstsammlung Rudolf Mosses. Die neuen Machthaber bieten der Nationalgalerie an, die Sammlung zu kaufen. Doch dazu kommt es nicht. Alois Schardt, 1933 kommissarischer Leiter des Museums, lehnt ab und zeigt nur Interesse an einzelnen Stücken.

Zeitungsannonce
Anzeige zur Mosse-Auktion am 29. und 30. Mai 1934, in: Weltkunst, 20. Mai 1934, S. 3.

Zwangsversteigerung

Die Kunstsammlung und die gesamte Einrichtung des Mosse-Palais werden schließlich 1934 in zwei Auktionen in Berlin versteigert. Die Auktionsergebnisse übertreffen alle Erwartungen und bringen den Nationalsozialisten Millionen ein.

Foto, schwarz-weiß. Steinerner Löwe inmitten einer Trümmerlandschaft.
Inmitten der Trümmer thront der Löwe, August 1945.

bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer

Foto, schwarz-weiß. Drei uniformierte Soldaten an der Löwenskulptur.
Sowjetische Soldaten lassen sich 1945 mit dem Kunstwerk fotografieren.

bpk / Friedrich Seidenstücker

Kriegszerstörungen

Am Ende des Krieges liegt das Mosse-Palais in Trümmern. Aber zwischen den zerborstenen Wänden liegt immer noch der Löwe. Er wird geborgen und zur Museumsinsel gebracht, wo er viele Jahre in der Alten Nationalgalerie steht.

„Großer liegender Panther […] aus einem Garten in der Voßstraße“. Aus der „Provenienzspur“ in der App der Alten Nationalgalerie, Berlin.

© Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Restitution

Foto. Relief aus weißem Stein.
Römischer Kindersarkophag, Marmor, 2. Jahrhundert n. Chr. Restituiert 2015, zurückgekauft 2016.

Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Johannes Laurentius. CC BY-SA 4.0

Foto. Skulptur eines Löwen aus weißem Stein.
August Gaul: Liegender Löwe, Kalkstein, 1903. Restituiert 2015, zurückgekauft 2016.

Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger. CC BY-SA 4.0

Foto. Skulptur einer unbekleideten sitzenden Frau aus weißem Stein.
Reinhold Begas: Susanna, Marmor, 1869/70. Restituiert 2016, zurückgekauft 2017.

Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger. Public Domain Mark 1.0

Im Zuge ihrer Provenienzforschung werden die Staatlichen Museen zu Berlin auf mehrere Kunstwerke aufmerksam, die aus der Sammlung von Rudolf und Emilie Mosse stammen. 2015 und 2016 werden sie an die Erben der Familie restituiert.

Drei Werke können zurückgekauft werden und befinden sich noch heute auf der Museumsinsel. Darunter auch der Löwe, der einst im Hof des Mosse-Palais die Besucher:innen begrüßte.

Eine Tonne Marmor – Translokation einer Plastik durch sechs politische Systeme. Aus der „Provenienzspur“ in der App der Alten Nationalgalerie, Berlin. © Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Auch die Staatsbibliothek zu Berlin kann in ihrem Bestand Werke identifizieren, die aus dem Besitz der Mosses stammen. Sie gibt 45 Bücher und das „Album Amicorum“ zurück.

Dieses Album enthält die persönlichen Glückwünsche von Freund:innen und Wegbegleiter:innen zu Rudolf Mosses 70. Geburtstag. Es ist ein besonderes Zeugnis seines Netzwerks und zeigt die Bedeutung, die Mosse im Berliner Wirtschafts- und Geistesleben seiner Zeit hatte.

Beitrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg über Rudolf Mosse

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