Gemeinsame Sammelfreuden

Max Beckmann: Porträt von Curt Glaser, Öl auf Leinwand, Öl auf Leinwand, 1929.

Saint Louis Art Museum, Bequest of Morton D. May 845:1983

Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie

Curt Glaser wird am 29. Mai 1879 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Simon Glaser in Leipzig geboren. Als er sieben Jahre alt ist, zieht er mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Paul nach Berlin. Dort geht er zur Schule, dort macht er Abitur, dort startet er seine Karriere als Kunsthistoriker. Berlin wird sein Lebensmittelpunkt.

Edvard Munch: Damenbildnis (Elsa Glaser), Öl auf Leinwand, 1913.

Munchmuseet, Oslo. CC BY-NC-SA 4.0

Heirat mit Elsa Kolker

1903 heiratet er Elsa Kolker (1878−1932), die Tochter eines Breslauer Textilfabrikanten. Sie bringt ein großes Vermögen mit in die Ehe, das es dem Paar erlaubt, luxuriös zu leben, viel zu reisen und in großem Stil Kunst zu sammeln.

Elsa und Curt Glaser in einem Auto zusammen mit Edvard Munch, Ludvig O. Ravensberg, Jappe Nilssen, Albert Kolmann und Christian Gierløff in Fredensborgveien, Karistiana (Oslo), 1913.

Munchmuseet, Oslo. CC BY-NC-SA 4.0 🔍 Über das Bild mit der Maus fahren, um zu vergrößern

Quer durch Europa

Ganz besonders interessieren sich Curt und Elsa Glaser für die zeitgenössische Kunst, die wir heute „klassische Moderne“ nennen. Sie kennen eine Menge berühmter Künstler. Zum Beispiel reisen sie nach Paris, um Henri Matisse zu besuchen. Und 1913 fahren sie mit dem Auto nach Oslo zu Edvard Munch.

Edvard Munch: Elsa und Curt Glaser, Pastell, 1913.

Munchmuseet, Oslo.

Beim Besuch porträtiert

Munch nutzt die Gelegenheit: Er malt das „Damenbildnis“ von Elsa und das Doppelporträt von den Eheleuten Glaser.

Curt Glaser und Edvard Munch, 1920er Jahre.

Munchmuseet, Oslo. CC BY-NC-SA 4.0

Beste Brieffreunde

Edvard Munch und Curt Glaser werden enge Freunde. Sie schreiben sich viele Briefe und Postkarten, die heute im Archiv des Munchmuseet Oslo zu finden sind. Man kann sie übrigens alle online anschauen und lesen.

Sogar ein Buch schreibt Curt Glaser über seinen Künstlerfreund, von dem er viele Kunstwerke in seiner Privatsammlung hat. Er illustriert es mit Original-Radierungen von Edvard Munch.

Der Wissenschaftler

Curt Glaser in seiner Wohnung, fotografiert von Ludwig Boedecker, 1923.

Wikimedia Commons, gemeinfrei

Doppelt begabt

Glaser ist ein Gelehrter mit zwei Standbeinen – und zwei Doktortiteln: 1902 promoviert er als Arzt, 1907 in Kunstgeschichte.

Studiensaal des Kupferstichkabinetts, 1920.

Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv. CC BY-SA 4.0

Anfänge als „Hilfsarbeiter“

1909 fängt er als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ am Berliner Kupferstichkabinett an. Kurze Zeit später konvertiert er zum Protestantismus. Möglich, dass er sich dadurch bessere Chancen im preußischen Staatdienst erhoffte.

Erich Büttner: Curt Glaser, Zeichnung, 1931. Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Dietmar Katz

Karriere im Staatsdienst

Und es klappt: Glaser macht Karriere! Er bleibt noch bis 1924 im Kupferstichkabinett und wird dort Kustos für zeitgenössische Grafik. Es ist ihm zu verdanken, dass das Museum heute eine der größten Munch-Sammlungen der Welt besitzt. Dann wird er Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek.

Ein Haus der Kunst

Anbau am Südflügel der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums, um 1916.

Im „Gartenhaus“

1925 ziehen Elsa und Curt Glaser in einen Anbau der ehemaligen Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums, in der die Kunstbibliothek untergebracht ist. Zur Arbeit hat es Glaser also nicht weit.

Montagsempfang bei Curt Glaser, Berliner Tageblatt vom 31.03.1929.

bpk / Staatsbibliothek zu Berlin 🔍 Über das Bild mit der Maus fahren, um zu vergrößern

Montagsempfang

Die neue Wohnung wird zu einem Treffpunkt für die Promis der Kunstszene.

Arthur Rosins über Curt Glaser und seine Frau Elsa, 1965.

„Das Haus von Curt Glaser in Berlin […] war einer der Mittelpunkte des Berliner geistigen Lebens.“

Beckmann auf der Staffelei

Die Wohnung der Glasers ist voller Kunst. In seiner Privatbibliothek zum Beispiel steht auf einer Staffelei ein Porträt, das Max Beckmann 1929 von Curt Glaser gemalt hat.

Zusammenbruch

Im Juli 1932 stirbt Elsa mit nur 54 Jahren. Curt Glaser ist durch ihren Tod zutiefst erschüttert, wie er seinem Freund Edvard Munch anvertraut.

Maria und Curt Glaser, Postkarte von Curt Glaser an Edvard Munch, 6. November 1933.

Munchmuseet, Oslo. CC BY-NC-SA 4.0

Eine neue Liebe in Krisenzeiten

Ein knappes Jahr später, im Mai 1933, heiratet Curt Glaser in zweiter Ehe die Sängerin Maria Milch (1901-1981). Sie stammt aus einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Familie, wurde allerdings evangelisch erzogen.

Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz, 10. Mai 1933.

Bundesarchiv, Bild 102-14599 / Georg Pahl

„Wider den undeutschen Geist“

Ganz egal ob evangelisch erzogen oder spät getauft: Curt und Maria Glaser gelten im NS-Regime als jüdisch. Noch dazu hatte sich Curt Glaser für die von den Nazis verhasste Moderne eingesetzt. Als Bibliotheksdirektor muss es ihn schockieren, als am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz unter dem Motto „wider den undeutschen Geist“ Bücher verbrannt werden, die das Regime nicht duldet.

Verlust des Amtes

Ungefähr zur gleichen Zeit wird Glaser als Direktor der Kunstbibliothek zwangsbeurlaubt und im September 1933 zwangspensioniert. In der Deutschen Zeitung wird unter der Schlagzeile „Herr Glaser geht in Urlaub“ gegen ihn gehetzt. Er ist ein Vertreter der demokratischen Weimarer Republik, die von den Rechtsradikalen als korrupt und ‚verjudet‘ verleumdet wird.

Geheimes Staatspolizeiamt (Gestapo) in der Prinz-Albrecht-Straße 7a, 8, 8a.

bpk

Auszug der Kunstbibliothek aus dem Gebäude in der Prinz-Albrecht-Straße, Juli 1934.

Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv. CC BY-SA 4.0

Die Gestapo zieht ein

Auch seine Wohnung in der Prinz-Albrecht-Straße muss Glaser aufgeben, die Kunstbibliothek muss ausziehen. Der Gebäudekomplex wird zum Hauptsitz der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei.

Auktionskatalog vom 9. Mai 1933 mit handschriftlicher Notiz „Glaser“ auf dem Titel. Staatliche Museen zu Berlin – Kunstbibliothek.

https://doi.org/10.11588/diglit.6195#0001

Alles zur Auktion

Glaser ist klar, dass er in Deutschland keine Zukunft mehr hat. Er gibt Wohnungseinrichtung, Bibliothek und Kunstsammlung zur Auktion. Mit der Versteigerung beauftragt er das Internationale Kunst- und Auktionshaus sowie den Auktionator Max Perl, beide Berlin.

Im Exil

Historisches Luftbild von Ascona, Schweiz, mit dem Monte Verità, 1946.

ETH Bibliothek / Werner Friedli. Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Exil in Ascona

Kurz nach den Auktionen gehen Curt und Maria Glaser ins Exil. Sie leben zunächst mehrere Jahre in Ascona im Tessin. Dort ist eine berühmte Aussteiger- und Künstlerkolonie, in der Maler und Bildhauer wie Paul Klee, Alexej Jawlensky und Marianne Werefkin verkehren. Phasenweise lebt das Paar auch in Florenz.

Eva Glaser mit ihrer Tante Ellen, Marias Schwester.

Familienarchiv

Ein kurzes Leben

Am 22. Juli 1935 bekommen die beiden eine Tochter, Eva Glaser. Das Kind wird nie erwachsen werden. Es stirbt schon am 10. Februar 1943 in einem Heim für beeinträchtigte Kinder in der Nähe von Basel.

Das amerikanische Passagierschiff „Monterey“ im Jahr 1937.

Letzte Jahre in den USA

Nachdem Curt Glaser in der Schweiz beruflich nicht wieder Fuß fasst, emigrieren die Eheleute über Havanna in die USA. Am 13. Mai 1941 landen sie mit dem Schiff „Monterey“ in New York.

Nicht einmal ein Jahr nach seiner kleinen Tochter stirbt Curt Glaser am 23. November 1943 in Lake Placid im Bundesstaat New York an Tuberkulose.

Schreiben der Geheimen Staatspolizei zur Beschlagnahme von Glasers Vermögen, 23. November 1944.

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam, Rep. 36 A II, Nr. 11320, Bl. 4 🔍 Über das Bild mit der Maus fahren, um zu vergrößern

Restvermögen beschlagnahmt

Das Vermögen, das Curt Glaser bei seiner Emigration in Deutschland zurückließ, wird nach seinem Tod von der Gestapo zugunsten des Deutschen Reichs beschlagnahmt.

Restitution

Edvard Munch: Junge Frau am Strand (Die Einsame), Kaltnadelradierung, mehrfarbiger Druck, 1896.

bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Jörg P. Anders 🔍 Über das Bild mit der Maus fahren, um zu vergrößern

2012 restituieren die Staatlichen Museen zu Berlin vier Kunstwerke auf Papier von Edvard Munch und Ernst Ludwig Kirchner an die Erben von Curt Glaser. Sie stammen aus der Auktion bei Max Perl 1933.

Ernst Ludwig Kirchner: Frauen am Potsdamer Platz, Druck, 1914.

Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz. Public Domain Mark 1.0 🔍 Über das Bild mit der Maus fahren, um zu vergrößern

Fünf weitere Werke können mit Zustimmung der Erbengemeinschaft zur Erinnerung an den ehemaligen Direktor der Kunstbibliothek bei den Staatlichen Museen zu Berlin verbleiben.

Auch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen restituieren 2013 Werke an die Erben von Curt Glaser: zwei aquarellierte Bleistiftzeichnungen des expressionistischen Malers Max Pechstein.

Film des rbb über Curt Glaser

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