Gemeinsame Sammelfreuden
Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie
Curt Glaser wird am 29. Mai 1879 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Simon Glaser in Leipzig geboren. Als er sieben Jahre alt ist, zieht er mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Paul nach Berlin. Dort geht er zur Schule, dort macht er Abitur, dort startet er seine Karriere als Kunsthistoriker. Berlin wird sein Lebensmittelpunkt.
Heirat mit Elsa Kolker
1903 heiratet er Elsa Kolker (1878−1932), die Tochter eines Breslauer Textilfabrikanten. Sie bringt ein großes Vermögen mit in die Ehe, das es dem Paar erlaubt, luxuriös zu leben, viel zu reisen und in großem Stil Kunst zu sammeln.
Quer durch Europa
Ganz besonders interessieren sich Curt und Elsa Glaser für die zeitgenössische Kunst, die wir heute „klassische Moderne“ nennen. Sie kennen eine Menge berühmter Künstler. Zum Beispiel reisen sie nach Paris, um Henri Matisse zu besuchen. Und 1913 fahren sie mit dem Auto nach Oslo zu Edvard Munch.
Beim Besuch porträtiert
Munch nutzt die Gelegenheit: Er malt das „Damenbildnis“ von Elsa und das Doppelporträt von den Eheleuten Glaser.
Beste Brieffreunde
Edvard Munch und Curt Glaser werden enge Freunde. Sie schreiben sich viele Briefe und Postkarten, die heute im Archiv des Munchmuseet Oslo zu finden sind. Man kann sie übrigens alle online anschauen und lesen.
Sogar ein Buch schreibt Curt Glaser über seinen Künstlerfreund, von dem er viele Kunstwerke in seiner Privatsammlung hat. Er illustriert es mit Original-Radierungen von Edvard Munch.
Der Wissenschaftler
Doppelt begabt
Glaser ist ein Gelehrter mit zwei Standbeinen – und zwei Doktortiteln: 1902 promoviert er als Arzt, 1907 in Kunstgeschichte.
Anfänge als „Hilfsarbeiter“
1909 fängt er als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ am Berliner Kupferstichkabinett an. Kurze Zeit später konvertiert er zum Protestantismus. Möglich, dass er sich dadurch bessere Chancen im preußischen Staatdienst erhoffte.
Karriere im Staatsdienst
Und es klappt: Glaser macht Karriere! Er bleibt noch bis 1924 im Kupferstichkabinett und wird dort Kustos für zeitgenössische Grafik. Es ist ihm zu verdanken, dass das Museum heute eine der größten Munch-Sammlungen der Welt besitzt. Dann wird er Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek.
Ein Haus der Kunst
Im „Gartenhaus“
1925 ziehen Elsa und Curt Glaser in einen Anbau der ehemaligen Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums, in der die Kunstbibliothek untergebracht ist. Zur Arbeit hat es Glaser also nicht weit.
Montagsempfang
Die neue Wohnung wird zu einem Treffpunkt für die Promis der Kunstszene.
Arthur Rosins über Curt Glaser und seine Frau Elsa, 1965.
„Das Haus von Curt Glaser in Berlin […] war einer der Mittelpunkte des Berliner geistigen Lebens.“
Beckmann auf der Staffelei
Die Wohnung der Glasers ist voller Kunst. In seiner Privatbibliothek zum Beispiel steht auf einer Staffelei ein Porträt, das Max Beckmann 1929 von Curt Glaser gemalt hat.
Zusammenbruch
Curt Glaser an Edvard Munch, 19. Mai 1933 (Munchmuseet, Oslo)
Im Juli 1932 stirbt Elsa mit nur 54 Jahren. Curt Glaser ist durch ihren Tod zutiefst erschüttert, wie er seinem Freund Edvard Munch anvertraut.
Eine neue Liebe in Krisenzeiten
Ein knappes Jahr später, im Mai 1933, heiratet Curt Glaser in zweiter Ehe die Sängerin Maria Milch (1901-1981). Sie stammt aus einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Familie, wurde allerdings evangelisch erzogen.
„Wider den undeutschen Geist“
Ganz egal ob evangelisch erzogen oder spät getauft: Curt und Maria Glaser gelten im NS-Regime als jüdisch. Noch dazu hatte sich Curt Glaser für die von den Nazis verhasste Moderne eingesetzt. Als Bibliotheksdirektor muss es ihn schockieren, als am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz unter dem Motto „wider den undeutschen Geist“ Bücher verbrannt werden, die das Regime nicht duldet.
Verlust des Amtes
Ungefähr zur gleichen Zeit wird Glaser als Direktor der Kunstbibliothek zwangsbeurlaubt und im September 1933 zwangspensioniert. In der Deutschen Zeitung wird unter der Schlagzeile „Herr Glaser geht in Urlaub“ gegen ihn gehetzt. Er ist ein Vertreter der demokratischen Weimarer Republik, die von den Rechtsradikalen als korrupt und ‚verjudet‘ verleumdet wird.
Die Gestapo zieht ein
Auch seine Wohnung in der Prinz-Albrecht-Straße muss Glaser aufgeben, die Kunstbibliothek muss ausziehen. Der Gebäudekomplex wird zum Hauptsitz der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei.
Alles zur Auktion
Glaser ist klar, dass er in Deutschland keine Zukunft mehr hat. Er gibt Wohnungseinrichtung, Bibliothek und Kunstsammlung zur Auktion. Mit der Versteigerung beauftragt er das Internationale Kunst- und Auktionshaus sowie den Auktionator Max Perl, beide Berlin.
Im Exil
Exil in Ascona
Kurz nach den Auktionen gehen Curt und Maria Glaser ins Exil. Sie leben zunächst mehrere Jahre in Ascona im Tessin. Dort ist eine berühmte Aussteiger- und Künstlerkolonie, in der Maler und Bildhauer wie Paul Klee, Alexej Jawlensky und Marianne Werefkin verkehren. Phasenweise lebt das Paar auch in Florenz.
Ein kurzes Leben
Am 22. Juli 1935 bekommen die beiden eine Tochter, Eva Glaser. Das Kind wird nie erwachsen werden. Es stirbt schon am 10. Februar 1943 in einem Heim für beeinträchtigte Kinder in der Nähe von Basel.
Letzte Jahre in den USA
Nachdem Curt Glaser in der Schweiz beruflich nicht wieder Fuß fasst, emigrieren die Eheleute über Havanna in die USA. Am 13. Mai 1941 landen sie mit dem Schiff „Monterey“ in New York.
Nicht einmal ein Jahr nach seiner kleinen Tochter stirbt Curt Glaser am 23. November 1943 in Lake Placid im Bundesstaat New York an Tuberkulose.
Restvermögen beschlagnahmt
Das Vermögen, das Curt Glaser bei seiner Emigration in Deutschland zurückließ, wird nach seinem Tod von der Gestapo zugunsten des Deutschen Reichs beschlagnahmt.
Restitution
2012 restituieren die Staatlichen Museen zu Berlin vier Kunstwerke auf Papier von Edvard Munch und Ernst Ludwig Kirchner an die Erben von Curt Glaser. Sie stammen aus der Auktion bei Max Perl 1933.
Fünf weitere Werke können mit Zustimmung der Erbengemeinschaft zur Erinnerung an den ehemaligen Direktor der Kunstbibliothek bei den Staatlichen Museen zu Berlin verbleiben.
Auch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen restituieren 2013 Werke an die Erben von Curt Glaser: zwei aquarellierte Bleistiftzeichnungen des expressionistischen Malers Max Pechstein.